Digitale Zwillinge: Zukunft der Energie- und Wärmeplanung

Von Jessica Herrmann, greenventory, 28. April 2025

Die Energiewende stellt hohe Anforderungen an die Wärmeversorgung. Kommunen, Energieunternehmen und Netzbetreiber müssen nicht nur bestehende Strukturen überdenken, sondern auch innovative Lösungen erarbeiten, um das politische Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Eine zentrale Rolle können dabei urbane digitale Zwillinge spielen – ein Konzept, das in der Wärmeplanung neue Maßstäbe setzt und entscheidend zur Digitalisierung im Energiesektor beiträgt.
Doch der Reihe nach: Was genau sind urbane digitale Zwillinge, und warum sprechen manche in diesem Kontext von einer Revolution der Wärmeplanung? In diesem Beitrag geht es darum, wie diese Modelle funktionieren, welche Vorteile sie bieten und wie sie konkret in der Praxis angewendet werden.

Was ist ein urbaner digitaler Zwilling in der Wärmeplanung?

Ein urbaner digitaler Zwilling ist eine virtuelle Abbildung der realen Welt. Wird er kontinuierlich mit aktuellen Zustandsdaten versorgt, entsteht ein dynamisches Abbild dieses Systems. In der Wärmeplanung bedeutet das: Der digitale Zwilling bildet Gebäude, Versorgungsstrukturen, Energienetze und Verbrauchsdaten detailgetreu nach und kann stetig aktualisiert werden, damit eine digitale Objektabbildung entsteht.
Dabei kann der digitale Zwilling mehr als nur die Ist-Situation abbilden: Er erlaubt es, zukünftige Szenarien in Echtzeit zu simulieren, Potenziale zu bewerten und Maßnahmen auf ihre Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit zu prüfen. Diese Kombination aus datenbasiertem Ansatz und interaktiven Simulationen macht den digitalen Zwilling zu einem leistungsstarken Werkzeug für die Optimierung der Transformation im Energiesystem.

Grafik: Digitaler Zwilling mit 3D Datenvisualisierung des Wärmebedarfs. Quelle: greenventory

Warum digitale Zwillinge die Wärmeplanung verändern

Die klassische Wärmeplanung stößt angesichts der steigenden Anforderungen immer öfter an ihre Grenzen. Die Integration erneuerbarer Energien, der Ausbau von Wärmenetzen und die Sanierung von Gebäuden erfordern eine hohe Planungsqualität und Flexibilität. Hier zeigt der digitale Zwilling seine Stärken:
  1. Datenvielfalt und Integration: Er vereint Daten aus unterschiedlichen Quellen, wie Verbrauchszahlen, Gebäudetypen oder Geodaten, und stellt diese in einer übersichtlichen Oberfläche dar.
  2. Simulationsmöglichkeiten: Verschiedene Szenarien können durchgerechnet werden, etwa wie sich Wärmenetze durch Sanierungen oder den Einsatz von Wärmepumpen entwickeln.
  3. Transparenz und Zusammenarbeit: Beteilige Akteure können auf einer Plattform zusammenarbeiten, Daten miteinander austauschen und Planungen anpassen.
  4. Qualität, Planungstiefe und Effizienzsteigerung: Der digitale Zwilling reduziert nicht nur spürbar Aufwand, sondern bietet auch eine hohe Datenqualität und Planungstiefe. Durch die automatisierte Verarbeitung und Analyse umfangreicher Datensätze entstehen fundierte Modelle, die eine bessere Entscheidungsbasis schaffen und so die Qualität der Planungsprozesse erheblich steigern.
  5. Nachhaltigkeit: Digitale Zwillinge bleiben durch regelmäßige Updates aktuell und können langfristig für Folgeprojekte genutzt werden.

Digitalisierung der Schritte im Planungsprozess mit digitalen Zwillingen

Grafik: Schritte im Planungsprozess der kommunalen Wärmeplanung und Anschlussprojekte. Quelle: greenventory

Die Anwendung eines digitalen Zwillings in der Wärmeplanung erfolgt in mehreren Phasen. Jede Phase hat eindeutig definierte Ziele und nutzt die jeweiligen Stärken des Modells:

  1. Bestandsanalyse: Zunächst werden die vorhandenen Daten zusammengetragen und in den digitalen Zwilling eingekoppelt. Dabei können Kunden flexibel Daten hochladen, wir, die Greenventory GmbH, bringen jedoch auch eigene Daten mit und unterstützen bei der Datenintegration. Dazu gehören Energieverbrauchsdaten, Gebäudetypen, Heizsysteme und lokale Gegebenheiten. Auch öffentlich verfügbare Datenquellen wie ALKIS, OpenStreetMap oder Zensus-Daten spielen dabei eine Rolle. Sind diese Daten integriert, werden sie analysiert und der Bestand berechnet.
  2. Potenzialanalyse: Im nächsten Schritt wird untersucht, welche erneuerbaren Energiequellen vor Ort verfügbar sind. Gebäude- und flächenscharfe Potenziale wie Solarthermie, Geothermie, Abwärme aus Industrie und Abwasser, Biomasse und Biogas, Photovoltaik, Luftwärmepumpen, Wasserkraft und Windkraft können so identifiziert und bewertet werden.
  3. Szenarienentwicklung: Auf Basis der gesammelten Daten werden zukünftige Versorgungsstrukturen modelliert. Dabei können Varianten wie Wärmenetze, Einzelversorgung oder der Einsatz von grünem Gas durchgespielt werden.
  4. Transformationspfad: Schließlich werden konkrete Maßnahmen und Investitionen entwickelt. Diese basieren auf Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Szenarien, die im digitalen Zwilling simuliert wurden.

Praxisbeispiele: Anwendung des digitalen Zwillings im Energiesektor

Digitale Zwillinge haben sich bereits in verschiedenen Projekten bewährt und gezeigt, dass sie ein wirksames Werkzeug für die Wärmeplanung sind. Das Beispiel von Lörrach verdeutlicht dies:
  • Interkommunale Wärmeplanung in Lörrach: In einer Region mit 35 Städten und Gemeinden wurden 70.000 Gebäude auf einer Fläche von 807 km² analysiert. Der digitale Zwilling ermöglichte eine detaillierte Potenzialanalyse und koordinierte Zusammenarbeit zwischen den Kommunen.
    Mehr dazu in unserem Blogpost: Interkommunale Wärmeplanung im Landkreis Lörrach

Die breiten Einsatzmöglichkeiten des digitalen Zwillings

Neben der klassischen Wärmeplanung bietet der digitale Zwilling zahlreiche weitere Einsatzmöglichkeiten:
  • Netzplanung: Die gebäudescharfe Darstellung von Strom-, Gas- und Wärmenetzen ermöglicht es, sektorübergreifende Lösungen zu entwickeln. Auch Szenarien zum Ausbau von Wärmepumpen, Photovoltaik oder E-Mobilität lassen sich einbinden.
  • Machbarkeitsstudien: Der digitale Zwilling dient als Grundlage für detaillierte Untersuchungen, um die Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen oder Projekten zu analysieren.
  • Kommunale Wärmeplanung: Er unterstützt Kommunen bei der Planung und Umsetzung nachhaltiger Wärmeversorgung und bei der Erreichung von Klimazielen.
  • Auswertung und Analyse von Bestandsdaten: Energetische Schwachstellen können durch die Integration umfangreicher Bestandsdaten identifiziert werden. Daraufhin können gezielte Verbesserungsmaßnahmen entwickelt werden.

Der digitale Zwilling als erweiterbare Plattform

Ein besonderer Vorteil des digitalen Zwillings liegt in seiner Fähigkeit, über die Wärmeplanung hinaus erweitert zu werden. Zusätzliche Module wie die Integration von E-Mobilität oder heatfind machen ihn zu einer umfassenden Plattform für die Energiewende.
  • E-Mobilität: Der digitale Zwilling kann genutzt werden, um Zubau-Szenarien für Ladeinfrastruktur zu simulieren. Dadurch wird die Planung effizienter, und Netzbelastungen können frühzeitig berücksichtigt werden.
  • heatfind: Als Kampagnentool hilft heatfind, die Umsetzung der Wärmeplanung voranzutreiben. Bürger:innen können sich über die interaktive Plattform über ihre Gebäudepotenziale informieren. Außerdem zeigt es konkrete Maßnahmen für das Gebäude, ermöglicht Vergleiche verschiedener Optionen und erleichtert den Kontakt zu lokalen Umsetzungspartner:innen. Mehr über heatfind: heatfind.de

Durch diese Erweiterbarkeit wird der digitale Zwilling mehr als nur ein Planungsinstrument, er wird zu einem aktiven Treiber der Umsetzung. Durch die nahtlose Integration zusätzlicher Module können Maßnahmen schneller und gezielter realisiert werden – ein richtiger Boost für die Energiewende.

Grafik: Mit heatfind Gebäudepotenziale ermitteln

Gamechanger für die Energiewende: Der digitale Zwilling

Die Anforderungen an die Wärmeplanung werden in den kommenden Jahren weiter steigen. Der digitale Zwilling bietet eine Lösung, die nicht nur die Grundanforderung der Planung spielend bewältigt, sondern auch neue Potenziale eröffnet. Durch seine Flexibilität, Erweiterbarkeit, Transparenz und Effizienz ist er ein unverzichtbares Werkzeug für Kommunen, Energieversorgungsunternehmen und Planer:innen. Wer die Chancen des digitalen Zwillings nutzt, legt den Grundstein für eine zukunftsfähige Wärmeversorgung – und damit für das Gelingen der Energiewende.
Sind Ihre Energieprojekte zukunftsfähig? Erfahren Sie, wie der digitale Zwilling unterstützen kann.
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